Zugsensor
18.1.2022, Karlsruhe: Tobias Hofbaur (BOSCH) zu Besuch beim KIT / Karlsruher Institut für Technologie. (Fotograf & Urheber: Jan Potente, mobil +491782133550. — in Vertretung für Martin Stollberg)

Neuer Sensor ermöglicht mehr Züge auf einer Strecke

Es soll mehr Verkehr auf die Schiene. Doch mangelnde Kapazitäten, häufige Verspätungen und teils unvorteilhafte Taktung stehen diesem Vorhaben im Weg. Könnten innerhalb eines engeren Zeitraums mehr Züge auf demselben Gleis fahren, ließen sich viele dieser Engpässe abmildern oder gar beseitigen. Bisher war das jedoch technisch kaum möglich.

Als Laie geht man davon aus, dass die Positionen von Zügen im Jahr 2022 sehr exakt bestimmbar sein sollte. Doch wo genau auf dem Gleis ist der Zug gerade? Bisher eingesetzte Ortungsmöglichkeiten wie GPS und Kamera sind gar nicht so genau, wie man denkt. Expertinnen und Experten des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und von ITK Engineering haben jetzt einen Sensor entwickelt, der durch einen magnetischen Fingerabdruck die Position von Zügen deutlich genauer ermittelt. Das könnte die Kapazität des bestehenden Schienennetzes enorm steigern (zumindest, wenn die Personalengpässe irgendwann ein Ende haben).

„Indem wir die Position eines Zuges auf dem Gleis genauer und zuverlässiger bestimmen als bisher, können Züge in kürzeren zeitlichen Abständen einen Gleisabschnitt passieren – die Kapazität pro Gleiskilometer steigt“, sagt Dr. Martin Lauer vom Institut für Mess- und Regelungstechnik (MRT) des KIT.

Die Funktionsweise des neuen Magnetic Railway Onboard Sensor (MAROS) ist simpel: „Auch ein Bahngleis aus Metall hat eine Art Fingerabdruck, der an jeder Stelle ein ganz individuelles Profil aufweist“, erläutert Lauer. Der MAROS kann diesen Fingerabdruck genau erkennen. „Somit lassen sich Züge weltweit gleisgenau und kontinuierlich lokalisieren“, sagt Tobias Hofbaur, Programmmanager Bahntechnik bei ITK Engineering.

Mit der neuen Technik könnten mehr Züge ein Gleis befahren

Deutlich besser als Ortung per GPS oder Kamera

Und so funktioniert es: Der Sensor, befestigt an der Fahrzeugunterseite, erzeugt ein elektromagnetisches Feld, das von den ferromagnetischen Stoffen wie den Schienen oder dem Befestigungsmaterial der Schienen beeinflusst wird. Der Sensor misst nun, wie stark das elektromagnetische Feld verändert wird. So lässt sich jedem Streckenabschnitt ein exakter elektromagnetischer Fingerabdruck zuweisen.

Um die individuelle Ortssignatur einer exakten geographischen Position zuordnen zu können, braucht es ein Software-Backend inklusive intelligenter Algorithmen. „So muss jede Bahnstrecke mindestens einmal abgefahren und vermessen werden, ehe diese Daten dann mit Kartenmaterial der Zugstrecke übereinandergelegt werden können“, sagt Hofbaur. Dann kann jeder folgende Zug präzise lokalisiert werden.

Gleisgenaue Lokalisierung von Zügen

Heute weltweit genutzte Lösungen, um die Position von Zügen zu bestimmen, haben sämtlich Defizite, die der MAROS-Sensor umgeht: Im Gleis verbaute Informationsträger (Balisen) sind zuverlässig, aber teuer. Kamerasysteme haben den Nachteil, dass sie bei Nacht oder Schneefall nur eingeschränkt funktionieren. GPS-Signale stoßen in Tunnels, Gebirgstälern oder Häuserschluchten an ihre Grenzen. Außerdem lässt sich durch sie nicht sicher erkennen, welches von mehreren nebeneinanderliegenden Gleisen befahren wird.

„Aber eben diese genaue Lokalisierung ist für den Eisenbahnbetrieb zwingend notwendig und lässt sich über MAROS erreichen“, sagt Lauer. „Die Lokalisierung ist somit exakter denn je, kostengünstiger als andere Technologien und weltweit auf allen Stahlschienen einsetzbar“, ergänzt Hofbaur. „Ein flächendeckender Einsatz des MAROS verspricht eine um 35 Prozent bessere Auslastung von Schienennetzen.“

Präsentation auf InnoTrans

Testfahrten auf unterschiedlichen Streckenabschnitten in Österreich haben stattgefunden. Auf Teilen der West- sowie Nordbahn in der Nähe von Wien konnten die Forschenden belegen, dass der Sensor funktioniert. Auf dem Markt verfügbar soll der Sensor bis Anfang 2025 sein. Präsentieren werden sie ihre Ergebnisse auf der Fachmesse InnoTrans vom 20. bis 23. September in Berlin.

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