Wer seid ihr und was ist eure Rolle bei Hellstern medical?
Wir sind Sabrina Hellstern, CEO und Claudia Sodha, CFO und wir sind die Gründerinnen von Hellstern medical.
Beschreib doch die Geschäftsidee hinter Hellstern medical in wenigen Sätzen. Welches Problem löst ihr?
Das Team von Hellstern medical hat das weltweit erste sensorgesteuerte Exoskelett für Chirurgen entwickelt: noac. Damit lösen wir eines der größten Probleme in Operationen. Während der teilweise stundenlangen OPs stehen Chirurgen:innen in sehr unnatürlichen und gesundheitsschädigenden Zwangshaltungen und ihre Muskeln ermüden mit jeder Stunde mehr.
Als langfristige Folge leiden 75 Prozent der Operierenden unter Muskel- und Skeletterkrankungen und ihre Leistung in der Operation nimmt über einen langen Tag in der Klinik kontinuierlich ab. Das ist so ein großes Problem, weil es nicht nur Chirurg:innen betrifft, sondern sich auch direkt auf die Patient:innen auswirkt. Je stärker die Muskeln über den Tag ermüden, desto mehr nimmt die chirurgische Präzision ab – das begünstigt Behandlungsfehler, die Patient:innen auch nachhaltig schädigen können. noac folgt Chirurg:innen in jede gewünschte Position und ermöglicht Operationen ohne Schmerzen und Folgeschäden und körperliche Ermüdung. So macht noac OPs für Patient:innen und Operierende gleichermaßen sicherer.
Wie kam es zu der Idee, die hinter Hellstern medical steckt?
Die Idee ist aus persönlichem Kontakt zu verschiedenen Chirurg:innen entstanden. Diese waren teils sehr frustriert über ihre aktuelle Situation – sie hatten allerdings keine Möglichkeit, dieses Problem selbst zu lösen. Gemeinsam mit unserem Team haben wir dann direkt losgelegt und in enger Zusammenarbeit mit Chirurg:innen und zwei IT-Ingenieuren in nur 15 Monaten noac entwickelt. Wir haben alle erkannt, dass es hier darum geht, ein riesiges, echtes Problem zu lösen.
Was waren bisher eure größten Herausforderungen und wie finanziert ihr euch?
Die europäische Medizinprodukte-Verordnung hat uns vor eine unserer größten Herausforderungen gestellt. Hier gibt es wirklich hohe Hürden, die man selbst in den niedrigen Risikoklassen erfüllen muss – das kostet natürlich Zeit und finanzielle Ressourcen. Auch die Finanzierung war eine Herausforderung für uns. Sabrina ist alleine und ohne Budget gestartet, hat das Familienauto verkauft und eine Hypothek auf ihr Haus aufgenommen, um Startkapital zur Verfügung zu haben.
Wir haben uns um verschiedene Fördermittel bemüht, sind dabei aber fast immer durch das Raster gefallen – weil wir bereits zu weit in der Entwicklung oder schon zu professionell aufgestellt waren. Dennoch haben alle Gründungsmitglieder so sehr an die Idee und ihr Potenzial geglaubt, dass sie in der Anfangszeit komplett auf Gehalt verzichtet haben. Bis zu unserem ersten Fundraising 2021 haben wir also komplett gebootstrapped. Dann haben wir eine 3,2 Millionen Euro Finanzierung erfolgreich abgeschlossen.
Wen wollt ihr mit Hellstern medical erreichen?
Unsere große Vision ist es, Menschenleben zu retten. Das ist nichts, was sich wirtschaftlich rechnen muss, sondern in unserer Gesellschaft selbstverständlich sein sollte und unser Antrieb ist. Mit noac beginnen wir damit direkt im OP. Während die Industrie beispielsweise bereits hochtechnologisiert ist, arbeiteten Chirurg:innen noch immer wie vor 150 Jahren – mit schlimmen Folgen. Wir wollen Operationen ins 21. Jahrhundert bringen und die Bedingungen für Operierende, Patient:innen und Kliniken gleichermaßen verbessern. Wir bleiben solange mit am OP-Tisch, bis wir sagen können: Diese Operation ist besser gelaufen, weil wir hart dafür gearbeitet, Perfektion und Leistung gebracht haben.
Welches Alleinstellungsmerkmal habt ihr – wie hebt ihr euch von der Konkurrenz ab?
Weltweit gibt es kein anderes sensorgesteuertes Exoskelett wie noac und wir decken mit ihm 99 Prozent der OP-Situationen ab – damit ist noac an sich schon ein Alleinstellungsmerkmal. Schaut man sich andere Technologien an, die in Operationen verwendet werden, dann ist noac deutlich effizienter. Ein kurzer Vergleich: Das sterile Überziehen eines Da Vinci Roboter – das ist ein roboter-assistieres Chirurgiesystem – kostet Kliniken beispielsweise so viel wie noac ein bis zwei Monate lang zu leasen.
Was hättet ihr rückblickend in der Startphase anders gemacht?
Wir haben uns von Anfang an darum bemüht, unser Startup so zu leiten, als wären wir ein Großkonzern, das heißt vor allem: Professionell und groß denken, klare Ziele und Deadlines setzen und eine durchdachte Strategie entwickeln. Daraus haben wir heute vor allem in Bezug auf das Projektmanagement viel dazugelernt. Es herrscht immer ein gewisses Spannungsfeld zwischen Technik und Wirtschaftlichkeit: Während die Entwicklung ein perfektionistisches Produkt entwickeln möchte, müssen wir auch Markt und Business im Blick behalten und ausreichend schnell und wirtschaftlich denken und handeln. Heute wissen wir noch besser, wie man diese verschiedenen Visionen koordinieren und übereinbringen kann.
Mit der Erfahrung eurer Gründung: Welchen Tipp gibst du GründerInnen mit auf den Weg?
Unsere Erfahrung zeigt, dass Gründer es oft einfacher haben als Gründerinnen. Dennoch glauben wir daran, dass Gründerinnen genauso viel bewegen können! Wir beide gehören zu dem einen Prozent aller Gründerinnen in der europäischen Medtech-Branche, die es geschafft haben, über 1 Million Euro im Fundraising zu generieren. Was wir euch mitgeben wollen: Glaubt an euch und eure Vision und kombiniert wirtschaftliches Denken mit gesellschaftlicher Verantwortung.
Wo würdest du arbeiten, wenn es dich nicht in die Startup-Welt verschlagen hätte?
Sabrina Hellstern: Ich wäre auch ohne Hellstern Medical weiterhin in der MedTech-Branche tätig, wo meine Wurzeln liegen. Claudia wäre in einer Unternehmensberatung tätig.