Die Recyclingquote von Verpackungsmüll bleibt trotz aller Bemühungen bislang ernüchternd niedrig. Ein Großteil der gebrauchten Verpackungen wird ins Ausland exportiert oder thermisch verwertet und landet damit letztlich doch im Abfallkreislauf. Vor diesem Hintergrund wagt das Mannheimer Startup CU Mehrweg einen ambitionierten Schritt: Die Gründer:innen möchten ein europaweit standardisiertes Mehrwegsystem für die Lebensmittelbranche etablieren und so Verpackungsmüll langfristig signifikant reduzieren.
Hinter CU Mehrweg stehen Tatiana Tsarkova, Mette-Maria Meyer und Jonathan Schröder. Ihr gemeinsames Projekt nahm vor vier Jahren in Form einer studentischen Wettbewerbs-Idee Gestalt an. Aus dieser Idee wuchs, dank verschiedener Förderungen auf EU-, Bundes- und Landesebene, schließlich ein echtes Unternehmen heran. Heute zählt das Team acht Mitarbeitende, Tendenz steigend.
Was sie dabei besonders macht, ist die interdisziplinäre Ausrichtung: Die Gründer:innen bringen jeweils Hintergründe aus Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsinformatik und Philosophie mit. Diese Vielfalt an Kompetenzen ist entscheidend, um das komplexe Thema Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit ganzheitlich anzugehen.
Was CU Mehrweg tut
Die Mission von CU Mehrweg ist klar umrissen: Ein standardisiertes Mehrwegsystem schaffen, das einerseits ökologisch nachhaltig, andererseits aber auch wirtschaftlich attraktiv für Unternehmen ist. Statt auf Insellösungen zu setzen, will CU Mehrweg eine branchenweite Plattform etablieren. Das bedeutet, dass unterschiedliche Hersteller, Händler:innen und letztlich auch Konsument:innen von einem gemeinsamen Pool an Mehrwegbehältern profitieren sollen.
Anders als bei manch anderen „Unverpackt“-Konzepten füllt CU Mehrweg die Lebensmittel bereits direkt in der Produktion in wiederverwendbare Becher ab. Die Konsument:innen können die Produkte – beispielsweise Nüsse oder Trockenfrüchte – normal im Handel kaufen und geben die leeren Behälter an Pfandautomaten zurück. CU Mehrweg übernimmt anschließend die Rücklauflogistik, Reinigung und Qualitätskontrolle, bevor die Behälter erneut in Umlauf gebracht werden.
Ganz praktisch: Wie funktioniert das mit dem Pfand?
Damit sich das System trägt, setzt CU Mehrweg auf ein einfaches Pfandprinzip, das Kund:innen bereits von Getränkeflaschen kennen:
- Kauf: Wer ein Produkt in der Mehrwegverpackung erwirbt, zahlt zum regulären Produktpreis einen Pfandbetrag von 0,50 Euro.
- Rückgabe: Nach dem Verzehr des Inhalts wird der leere Becher am Pfandautomaten zurückgegeben. Dort erfolgt die automatische Erkennung, ähnlich wie bei Mehrwegflaschen.
- Erstattung: Der zuvor bezahlte Pfandbetrag wird sofort ausbezahlt oder dem Einkaufsbon gutgeschrieben – je nach System des jeweiligen Handelsunternehmens.
- Wiederverwendung: Anschließend landet der Becher in der Rücklauflogistik von CU Mehrweg, wo er kontrolliert, gereinigt und letztendlich erneut befüllt wird.
Wichtig ist, dass die Kostenstruktur für den Handel und die Hersteller:innen klar kalkulierbar bleibt. CU Mehrweg bietet ein Pooling-System, in dem die beteiligten Unternehmen ihre Verpackungen gemeinsam nutzen können. Das reduziert die Einzelkosten, da Investitions- und Betriebskosten (zum Beispiel für Lagerhaltung oder Reinigung) auf viele Partner verteilt werden. Die Konsument:innen strecken die Pfandgebühr zunächst vor, erhalten diese jedoch vollständig bei Rückgabe des Mehrwegbehälters zurück. So entsteht ein Anreiz, den Behälter nicht wegzuwerfen, sondern dem Kreislauf wieder zuzuführen.
Pilotprojekt und erste Erfolge
Einen wichtigen Meilenstein konnte CU Mehrweg kürzlich mit Seeberger, einem der europaweit führenden Anbieter für Nüsse und Trockenfrüchte, realisieren. In Kooperation mit der REWE Südwest wird dabei getestet, wie gut Mehrwegbecher bei Produkten wie Cashewkernen oder Bananenchips ankommen. So können wertvolle Daten über die Konsument:innen-Akzeptanz gesammelt werden, um das System noch besser an den Markt anzupassen.
Mette-Maria Meyer, Co-Gründerin und Head of Operations von CU Mehrweg, betont die Bedeutung eines zentralen Pooling-Systems. Nur durch Skalierung und Standardisierung könne ein flächendeckendes Mehrwegsystem ökologisch und ökonomisch funktionieren. Seeberger wiederum sieht die Kooperation als Chance, nachhaltige Innovationen voranzutreiben und Verpackungsmüll in einem Massenmarkt signifikant zu reduzieren.
Der gesellschaftliche Impact
Die Bemühungen von CU Mehrweg gehen über die bloße Vermeidung von Müll hinaus. Ein echtes Kreislaufsystem kann nicht nur in Deutschland, sondern auch europaweit enorme Ressourcen schonen. Wenn sich wiederverwendbare Kunststoffverpackungen etablieren, wird weniger Rohmaterial benötigt, was CO₂-Emissionen und Energieverbrauch verringert. Damit leistet CU Mehrweg einen wichtigen Beitrag für eine nachhaltige Transformation im Lebensmittelhandel.
Darüber hinaus zeigt das Startup, dass Innovation und Nachhaltigkeit erfolgreich kombiniert werden können. Dass es staatliche Förderungen auf verschiedenen Ebenen für dieses Modell gibt, verdeutlicht die politische und gesellschaftliche Relevanz des Themas. Letztlich profitieren sowohl Kund:innen, die umweltbewusster einkaufen wollen, als auch Unternehmen, die ihre Verpackungsprozesse effizienter gestalten möchten.
Fazit
CU Mehrweg ist ein schönes Beispiel dafür, wie aus einer Idee im studentischen Wettbewerb ein handfestes Unternehmen mit echtem Zukunftspotenzial entstehen kann. Die Gründer:innen setzen auf ein europaweit skalierbares Mehrwegsystem, das Konsument:innen, Handel und Hersteller:innen gleichermaßen einbindet. Ihr Ziel: Verpackungsmüll nicht nur zu reduzieren, sondern ihn eines Tages möglichst zu eliminieren.
Mit Pilotprojekten wie dem mit Seeberger und REWE Südwest sowie kontinuierlichem Ausbau ihrer Mehrweg-Infrastruktur schreiben sie bereits an einem neuen Kapitel für den Lebensmitteleinzelhandel. Es bleibt spannend zu beobachten, wie CU Mehrweg die Transformation zu einer echten Kreislaufwirtschaft in der Praxis weiter vorantreibt – und welche Standards sie damit in der Branche setzen werden.