Mit der eigenen Endlichkeit beschäftigt sich niemand gern. Denn auch, wenn wir seit jeher versuchen, dem Tod zu entrinnen, hat die Wissenschaft bis heute keine Lösung für das unabwendbare Ende eines jeden Menschen gefunden. Das Start-Up “Meine Erde” möchte dieses schwere Thema um einen positiven Zugang ergänzen und damit gleichzeitig die Bestattungsindustrie revolutionieren. “Reerdigung” nennt sich ein in Deutschland neues Verfahren, das den Körper innerhalb von 40 Tagens komplett zersetzt, sodass er als Nährboden für neues Leben der Natur zurückgeführt werden und einen letzten guten Zweck erfüllen kann.
Wie funktioniert Reerdigung?
Der verstorbene Mensch wird in einen mit pflanzlichen Materialien wie Blumen, Grünschnitt und Stroh ausgelegten Kokon gebettet, der optisch an einen Sarg erinnert. Dieser wird im Anschluss für 40 Tage verschlossen. Es herrschen im Inneren optimale Bedingungen für einen natürlichen Verwandlungsprozess. Unter Einfluss von Luftsauerstoff, der das perfekte Verhältnis von Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Feuchtigkeit aufweist, transformieren Mikroorganismen den Körper in Humus. Dabei wird der Kokon regelmäßig alle 24 Stunden von Seite zu Seite gedreht, um eine gleichmäßige Feuchtigkeitsverteilung zu gewährleisten. Auch Knochen und Zähne werden mineralisiert. Chemikalien oder Würmer werden nicht eingesetzt. Da natürliche Prozesse oft unregelmäßig arbeiten, wird die gewonnene Erde in Anschluss nochmals verfeinert. Der nährstoffreiche Humus, welcher sich am Ende des Prozesses im Kokon befindet und nach frischem Waldboden riecht, wird dann in einem Friedhofsgrab beigesetzt. Der reichhaltige Boden ist nun ganz besonders für die Bepflanzung mit Blumen oder Bäumen geeignet. Während der Einbettung in den Kokon sind Angehörige herzlich willkommen und auch während der Transformation kann man den Kokon zu bestimmten Zeiten im Alvarium besuchen. Um die Totenruhe nicht zu stören, wird der Prozess bei „Meine Erde“ mittels integrierter Sensorik überwacht, sodass bei Unregelmäßigkeiten gegebenenfalls schnell gegengesteuert werden kann.
Was sind die Vorteile einer Reerdigung mit „Meine Erde“?
Die Reerdigung ist besonders nachhaltig und umweltschonend. Bisher werden 7 % aller Verstorbenen verbrannt. Dabei entstehen viele Emissionen. Würden alle Feuerbestattungen durch Reerdigungen ersetzt, könnte man jährlich so viel Kohlenstoffdioxid einsparen, wie eine Stadt mit 100.000 Einwohnern pro Jahr ausstößt. Auch lösen sich die Nährstoffe des Körpers bei einer Einäscherung wortwörtlich in Rauch auf. Hinterlassen werden nur Schwermetalle, welche die Umwelt belasten. Die Kosten betragen bei einer Reerdigung genauso viel wie bei einer durchschnittlichen Feuerbestattung. Durch den schnellen Mineralisierungsprozess und der lebensbejahenden Perspektive wird auch ganz grundsätzlich unser Umgang mit dem Tod revolutioniert. Der Gedanke, dass man über den Tod hinaus der Welt etwas zurückgeben kann, spendet Trost und Hoffnung und hebt das Thema der Sterblichkeit pietätvoll aus der Tabuisierung.
Wie ist Reerdigung in Deutschland geregelt?
Es handelt sich bei der Reerdigung um eine beschleunigte Form der Erdbestattung, bei der alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Ab Mitte 2022 soll sie in Zusammenarbeit mit innovativen Behörden, Bestatter:innen und Friedhofsverwaltungen sukzessive für alle zugänglich sein. Am besten ist es, wenn der Wunsch nach dieser nachhaltigen Bestattungsform in einer Bestattungsvorsorgeerklärung oder in einem Testament festgehalten wird. Es reicht jedoch auch aus, Angehörigen oder dem ausgewählten Bestattungsinstitut den Wunsch mitzuteilen.
Mehr Informationen zu “Meine Erde” findet ihr auf der Website des Unternehmens.