Dr. Hans-Christian Stockfisch hat nach über 10-jähriger Bundeswehr Erfahrung ein Startup gegründet. Dabei konnte er sich auch ein 3 Mio. Euro Investment für sein Unternehmen Flexvelop sichern. Warum er dennoch dazu rät, sich das Gründen sehr gut zu überlegen, erzählt er Startupmag im Interview.
Hans, nach über 10 Jahren bei der Bundeswehr hast Du ein Startup gegründet. Was hat Dich zu diesem großen Schritt motiviert?
Ich habe in meinem persönlichen Umfeld immer häufiger erfolgreiche Unternehmer kennengelernt, die mit Passion Ihr eigenes Ding durchgezogen haben. Das hat mich inspiriert. Gleichzeitig machten diese Unternehmer nicht den Eindruck auf mich, als wären sie besonders begabt, sodass ich mir gedacht habe, „na, wenn die das schaffen, dann kann ich das auch!“. Die ganze Startup-Bubble mit Pitchdecks, Venture Capital etc. kannte ich damals noch überhaupt nicht. Mir ging es um das klassische Unternehmertum.
Was hat Deine Zeit bei der Bundeswehr geprägt, das Dir jetzt im Geschäftsleben hilft?
Meine Zeit im Militär hat mich in wohl nahezu jeder Hinsicht geprägt und mich auf das Geschäftsleben vorbereitet. Offensichtliche Prägungen sind die eiserne Disziplin und die damit verbundene Leidens- und Durchhaltefähigkeit, die mir beim Aufbau unseres innovativen Startups sehr geholfen haben. Aber auch kleinere erlernte Eigenschaften helfen uns im Alltag: Klare Kommunikation, klare Strukturen und klare Verantwortlichkeiten helfen enorm, Missverständnisse und Friktionen zu vermeiden.
Gelebte Kameradschaft und der Mut, auch in schwierigen Situationen klare Entscheidungen zu treffen, helfen außerdem dabei, die täglichen Hindernisse zu überwinden. Ich sehe viele Gründerinnen und Gründer scheitern, weil ihnen viele dieser Erfahrungen und Eigenschaften fehlen, obwohl sie sich diese auch im reinen zivilen Leben hätten aneignen können. Daher ist aus meiner Sicht die militärische Prägung sogar ein enormer Vorteil im harten Geschäftsleben.
Kannst Du uns mehr über Dein Unternehmen Flexvelop erzählen und welche Vision Du damit verfolgst?
Mit „Flexen“ haben wir eine radikal neugedachte Finanzierungslösung geschaffen, die Business Equipment für Unternehmen so kosten- und nutzeneffizient wie möglich finanziert und dabei gleichzeitig eine fortlaufende maximale Flexibilität ermöglicht.
Dank unserer Technologie integriert sich Flexvelop direkt beim Händler als eine Art Bezahloption. Wird ein Gerät geflext, so übernimmt Flexvelop das Investmentrisiko und bezahlt den Händler direkt. Die Geschäftskunden können die Geräte jetzt sofort einsetzen und sich nun fortlaufend flexibel entscheiden, ob und wann der beste Kauf- oder Rückgabezeitpunkt ist.
Business Equipment umfasst dabei nahezu alle Geräte, die Geschäftskunden aus den verschiedensten Bereichen benötigen. Darunter fallen beispielsweise die Siebträgerkaffeemaschinen im Restaurant, die neuen Laptops im Büro oder auch die neuste Generation an Ultraschallgeräten beim Arzt.
Die Vision ist dabei, dass jegliches Business Equipment eines Tages geflext sein wird, weil es einfach die besten Vorteile für Geschäftskunden aus Leasing/Miete/Kredit in einer Lösung vereint. Und dann kann der Kreislaufwirtschaftsgedanke auch wirklich zünden, um diese Geräte auch nachhaltig zu verwerten.
Wie hast Du es geschafft, ein 3 Millionen Euro Investment für dein Unternehmen zu sichern? Was waren die größten Herausforderungen dabei?
Es hat vier Jahre gedauert, um dieses Investment zu erhalten. Daher habe ich definitiv kein Geheimrezept auf Lager. Ab Tag 1 habe ich seither hunderte Absagen kassiert, aber zumindest einige Punkte daraus gelernt, die anderen Gründungsbegeisterten vielleicht helfen können: Rückblickend stand uns lange die hanseatische Zurückhaltung im Wege. Wir haben unsere Vision immer bewusst kleiner kommuniziert, als sie eigentlich in unseren Köpfen war, um dann nach einem Investment umso stärker zu begeistern – „underpromise – overdeliver“.
Das Problem dabei ist, dass viele Investoren stets nur die großen Moonshot-Visionen hören und hier dann pauschal einen gewaltigen Abschlag machen, um halbwegs realistisch zu bleiben. Dass unsere ohnehin schon gedrosselte Vision nach diesem Abschlag nicht mehr begeisterte ist rückblickend kein Wunder. Am Ende hat mir hier nur das Durchhaltevermögen geholfen, welches uns bis zu dem Punkt getragen hat, an dem wir bereits erste Erfolge vorzeigen konnten und plötzlich die ersten Investoren selbst erkannt haben, welches Potenzial da die ganze Zeit als Team und Geschäftsmodell vor ihnen steht.
Du empfiehlst anderen nicht, ein Startup zu gründen. Kannst Du genauer erklären, warum?
Korrekt, ich kann jedem Gründungsbegeisterten nur raten, sich diesen Sprung wirklich gut zu überlegen. Ich halte es sogar für gefährlich, wenn Menschen rein aus der Begeisterung heraus zu gründen. Insbesondere bei Gründern, die nur des Gründens wegen gründen, weil sie den vermeintlich hippen Lifestyle leben wollen. Das geht definitiv in die Hose. Auch sollte sich jemand mit der Begeisterung für ein innovatives Produkt wirklich hinterfragen, ob er oder sie bereit ist, viele harte Jahre voller Existenzängste und ohne Zeit für irgendwen oder irgendetwas anderes auf sich zu nehmen.
Wenn schon Kinder da sind, ein Haus das abbezahlt werden will oder pflegebedürftige Eltern, dann kann ich niemandem zu diesem Schritt raten. Denn es wird immer schwieriger und dauert länger als man denkt. Selbst wenn man direkt ein Investment erhalten sollte. Der Alltag ist in jedem Startup voller Herausforderungen und nicht immer mit klar erkennbarem Licht am Ende des Tunnels.
Welche persönlichen Opfer musstest Du bringen, um Dein Unternehmen aufzubauen?
Zwingend erforderlich ist der bewusste mentale Sprung aus dem Flugzeug. Das erfordert Überwindung, Mut und Entschlossenheit. Ich bin davon überzeugt, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit um ein Vielfaches geringer ist, wenn man es nur mal nebenbei probieren möchte oder noch genügend Reserven in der Hinterhand hat. Dann wird einfach nicht die Durchhalteenergie freigesetzt, die es höchstwahrscheinlich brauchen wird, um zu bestehen.
Auf dem Weg nach unten bleibt dann auch keine Zeit für Freunde, Familie, Urlaub oder sonstige Lebensplanung. Ja, die Balance ist wichtig, aber im echten innovativen Startup-Aufbau halt nicht möglich. Natürlich gibt es auch gute Tage auf der Reise, aber im Hinterkopf ist einfach immer irgendein akutes Problem auf dem Schirm, selbst wenn es nur die unterschwellige Existenzangst ist, die jeder Unternehmer kennt.
Was glaubst Du, wird oft unterschätzt, wenn es darum geht, ein eigenes Unternehmen zu gründen?
Definitiv die Zeit, die es braucht, um auf einen gerade oder gar steigenden Weg zu kommen. Nahezu jede Gründung, ob nun in der simplen Selbständigkeit mit einem wenig innovativen Produkt, oder in einem richtigen innovativen Startup, braucht in der Praxis immer deutlich länger, um Fuß zu fassen, als man selbst erwartet hätte. Ich habe noch keinen Unternehmer oder Gründer kennengelernt, bei dem dies anders gewesen ist. Hier braucht man das Durchhaltevermögen und die Ressourcen, um einfach immer weiter zu machen.
Was würdest Du jemandem sagen, der fest entschlossen ist, ein Startup zu gründen, entgegen Deiner Warnung?
Wenn ich 9 von 10 Gründungsbegeisterten mit meinem Interview hier davon abgehalten habe, zu gründen, dann wäre dies ein gutes Zeichen. Wenn Du der eine von 10 bist, der dennoch fest entschlossen ist, seine Vision anzugehen und bildlich aus dem Flugzeug zu springen, dann kann ich Dir zu diesem Sprung nur gratulieren und Dir von Herzen alles Gute wünschen. Und nach meinen bisherigen Zeilen kommt dies nun vielleicht überraschend, aber wenn Du der oder die eine bist, dann wirst Du es wahrscheinlich auch schaffen, am Ende erfolgreich zu sein. Denn am Ende ist das alles auch kein Hexenwerk. Es braucht nur ungemein viel Kraft und Anstrengungen. Wenn Du dafür bereit bist, dann wirst Du es schaffen oder es nicht bereuen, falls es doch wirtschaftlich nicht klappt. Denn am Ende ist es der schöpferische Prozess selbst, der einem Unternehmer die Erfüllung im Leben gibt.
Trotz der Herausforderungen: Gibt es besondere Momente oder Erfolge, auf die Du besonders stolz bist?
So richtig stolz werde ich erst sein, wenn unser Unternehmen profitabel ist und auf eigenen Beinen stehen kann. Dieser Schritt ist zum Glück nicht mehr weit. Das Einzige worauf ich soweit stolz bin, ist das Team hinter Flexvelop. Mir ist letztens erst bewusst geworden, dass uns noch nie ein Mitarbeiter verlassen hat. Unser Team wächst nun also schon seit einigen Jahren und es kommen nur neue Leute hinzu. Ich denke, dass dies ein gutes Zeichen ist und vielleicht auch an der Kameradschaft liegt, die meine Zeit beim Militär mit zu Flexvelop gebracht hat.
Zuletzt, wenn Du die Möglichkeit hättest, etwas in Deiner Gründungsgeschichte zu ändern, was wäre das?
Dann wäre ich gern reich geboren, hätte die Kontakte von Papa nutzen können und das nächste Investment auf der Alumni-Feier meiner Elite-Uni eingetütet.
Aber dann hätte ich vermutlich auch nur einen von KI konzipierten zuckerfreien Müsliriegel gestartet. Kein wirklich innovatives Unternehmen. Nicht Flexvelop.
Daher möchte ich an meiner Gründungsgeschichte gar nichts ändern.